Der Borkenkäfer lockte viele Zuhörer ins Haus zur Wildnis

Professor Dr. Reinhard Schopf stellte neue Forschungsergebnisse vor.

Pressemitteilung Nr. 038/13

Datum: 18.03.2013

Der nur 4-5 Millimeter große Fichtenborkenkäfer (Buchdrucker) befällt zunächst nur geschwächte alte Fichten. Bei einer Massenvermehrung wie sie Mitte 1995 im Nationalpark Bayerischer Wald ablief, tötete er auch reihenweise gesunde Bäume ab

Der nur 4-5 Millimeter große Fichtenborkenkäfer (Buchdrucker) befällt zunächst nur geschwächte alte Fichten. Bei einer Massenvermehrung wie sie Mitte 1995 im Nationalpark Bayerischer Wald ablief, tötete er auch reihenweise gesunde Bäume ab

Das Foto zeigt das typische Fraßbild der Buchdrucker in der Bastschicht unter der Rinde mit deutlich sichtbaren Verdickungen am Ende der Fraßgänge, den sogenannten Puppenwiegen, mit verpuppten Käfern

Das Foto zeigt das typische Fraßbild der Buchdrucker in der Bastschicht unter der Rinde mit deutlich sichtbaren Verdickungen am Ende der Fraßgänge, den sogenannten Puppenwiegen, mit verpuppten Käfern

140 Besucher fanden auf Einladung der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald den Weg zum Haus zur Wildnis zu einem sehens- und hörenswerten Vortrag von Professor Dr. Reinhard Schopf zum Thema Borkenkäfer im Rahmen der naturwissenschaftlichen Vortragsreihe.

Mit dem Thema: „Ein rätselhafter Bekannter – der Borkenkäfer“ stellte der renommierte Professor an der TU München die Ergebnisse des im Jahr 2007 gestarteten Projekts „Borkenkäferdispersion in den Nationalparken Bayerischer Wald und Berchtesgaden“ vor.

Zur Freude seines sehr interessierten Publikums setzte Professor Schopf zur Verständlichkeit seines bestens strukturierten und reich bebilderten Vortrages kein Fachwissen voraus.

6 000 Borkenkäferarten wurden bislang auf unserer Erde entdeckt, begann Professor Schopf, sie sind alle klein und braun, leben im Verborgenen unter der Rinde und haben sich meist eine Lieblingsbaumart auserkoren, so auch der uns seit fast zwanzig Jahren beschäftigende, nur 4-5 Millimeter große Buchdrucker, der vornehmlich ältere, geschwächte Fichten zu seiner Arterhaltung auswählt und diese zum Leidwesen der Besitzer von Wirtschaftswäldern dabei abtötet. Männchen sind, wie man jetzt feststellte, im Kopfbereich weniger behaart als Weibchen.

Mit der Vorstellung der Biologie des Buchdruckers, wie der Fichtenborkenkäfer wegen seines typischen Fraßbildes im Volksmund genannt wird, stieg Professor Schopf behutsam in das Thema ein.

Borkenkäfer benötigen eine Auslösetemperatur, die im Falle des Buchdruckers bei ca. 18° C liegt, um in Paarungsstimmung zu kommen. Es sind immer die Männchen, die nach der Winterruhe bei Erreichen der Schwellentemperatur auf die in Form von Duftstoffen ausgesendeten Signale von in der Regel durch Windwurf, Schneebruch oder altersbedingt geschwächten Fichten reagieren und durch ihren ausgeprägten Geruchssinn diese geeigneten Wirtsbäume finden und gezielt anfliegen.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die Forschung inzwischen herausgefunden hat, dass die von geschwächten Fichten ausgesetzten Duftstoffe, sogenannte Pinen, als Abwehr dienen sollten und nicht als Lockmittel für Borkenkäfer. Der Borkenkäfer hat diese Finte jedoch erkannt und „bläst“ bei dieser Duftwahrnehmung zur Attacke. Ja noch dreister, diese Pioniere atmen nach der Aufnahme der vermeintlichen „Schutzstoffe“ des Baumes sogenannte Aggregationspheromone aus, die weitere Käfer anlocken.

Die infolge vermindertem Harzflusses schnell versiegende Abwehrkraft solcher geschwächten Bäume ermöglicht den Käfern ein erfolgreiches Einbohren in die Rinde. Der Bohrmehlauswurf bewirkt eine Freisetzung von Pheromonen, deren Duft schließlich die Weibchen anlockt. Zwei bis drei Weibchen verpaaren sich mit einem Männchen in der sogenannten „Rammelkammer“. Jedes Weibchen bohrt von dort aus nach oben bzw. unten einen Muttergang und legt beidseitig bis zu 60 Eier ab. Ohne jegliche Brutpflege fressen sich die geschlüpften Larven quer zum Muttergang durch die Bastschicht  und verpuppen sich schließlich in einer „länglichen Puppenwiege“, von der sich die Jungkäfer nach einem Reifungsfraß bei geeigneter Witterung auf kürzestem Weg ins Freie bohren. Temperaturabhängig dauert die Zeit vom Befall des Baumes bis zum Schlupf der Käfer in unseren Breiten sechs bis acht (in den Hochlagen auch zehn) Wochen.

Weshalb eine noch so stattliche Fichte bei diesem Vorgang sterben muss, obwohl weder Käfer noch Larven im Holz fressen, liegt darin begründet, dass durch die Fraßgänge in der Bastschicht das hauchdünne Kambium (Wachstumsschicht) zerstört und damit wichtige Transportwege von Wasser und Nährstoffen unterbunden werden.

Die Altkäfer unternehmen nach „getaner Arbeit“ einen zweiwöchigen Regenerationsfraß, um anschließend gestärkt auszufliegen, für die Anlage einer Geschwisterbrut nach eben beschriebenem Muster.

Den erfolgreichen Befall von neuen Wirtsbäumen im selben Jahr durch Jungkäfer bezeichnet man hingegen als Beginn einer zweiten Generation.

Mitte August nimmt die Aktivität der Borkenkäfer auch bei günstiger Witterung fast schlagartig ab, so dass ein erneutes Ausschwärmen der Käfer kaum noch feststellbar ist. Ob hinter diesem Phänomen eine Strategie steckt, ist (noch) nicht bekannt, bzw. genetisch bedingt. Man ist geneigt zu denken, der Borkenkäfer geht den sicheren Weg nach dem Motto: das nächste Frühjahr kommt bestimmt (konservative Überwinterungsstrategie).

Damit leitete Professor Schopf zum Thema über: Wie überwintert der Buchdrucker?

Grundsätzlich können alle Entwicklungsstadien vom Ei über Larve, Puppe und fertigem Käfer überwintern. In einer Tabelle zeigte Professor Schopf jedoch deutlich, dass die Überwinterungsverluste umso größer sind, je weniger die Entwicklung zum fertigen Insekt fortgeschritten ist. Professor Schopf schrieb eine gute Überwinterungschange nur Jungkäfern zu, die bereits ihren Reifungsfraß abgeschlossen haben.

Die Antwort auf die Frage: Wie weit fliegt der Käfer, ließ alle Anwesenden aufhorchen. Im Schaubild von zu Hilfe genommenen Luftbildaufnahmen zeigte Professor Schopf sehr deutlich die räumliche Distanz zwischen Altbefall und Neubefall auf. 60 – 70 % der Neubefallsflächen gesunder Fichten liegen im Bereich von weniger als 100 Metern. Bereits ab einer Entfernung von ca. 500 Metern geht der Neubefall gegen Null. Das heißt aber nicht, dass einzelne Borkenkäfer nicht weiter als 500 oder 1 000 Meter fliegen, machte Professor Schopf klar und fügte an, dass aber alleine durch den Dispersionseffekt ein erfolgreicher Massenbefall auszuschließen ist. Der Borkenkäfer geht also auf Nummer sicher durch gezielte Anflüge von nahestehenden Fichten, unternimmt also keinen abenteuerlichen Suchflug nach „Nirwana“.

Die anschließende Diskussion zeigte deutlich, dass der Borkenkäfer noch immer ein Reizthema darstellt.

Die angesprochene Windverfrachtung und damit Überwindung großer Entfernungen verwies Professor Schopf in das Reich der Legenden, denn zum einen stellen die Borkenkäfer ab einer Windgeschwindigkeit von lediglich 2 Metern pro Sekunde das Ausschwärmen ein und zum anderen fliegen sie immer gegen den Wind, sozusagen der Nase nach auf der Spur von Lockstoffen.

Das in den letzten fünfzehn bis zwanzig Jahren vermehrte Auftreten des Borkenkäfers auch außerhalb des Nationalparks sieht Professor Schopf nicht im Zusammenhang mit der Borkenkäferentwicklung im Nationalpark Bayerischer Wald. Der Anstieg des Borkenkäferbefalls lässt sich in ganz Mitteleuropa, ja weltweit feststellen. Er dürfte in der Zunahme von Sturmereignissen und Dürreperioden in diesen Zeiträumen zu finden sein. Denn, wie eingangs erwähnt, dienen ausgesendete Duftstoffe aus bruttauglichem Material wie Windwürfen, Schneebruch oder infolge von Dürre unter Wasserstress leidende Fichten als Anreiz und fördern unabhängig von der Entfernung des Nationalparks die Entwicklung der Borkenkäfer.

Rainer Pöhlmann

Bildunterschriften:

1. Der nur 4-5 Millimeter große Fichtenborkenkäfer (Buchdrucker) befällt zunächst nur geschwächte alte Fichten. Bei einer Massenvermehrung wie sie Mitte 1995 im Nationalpark Bayerischer Wald ablief, tötete er auch reihenweise gesunde Bäume ab.
Foto: Dr. Jörg Müller

2. Das Foto zeigt das typische Fraßbild der Buchdrucker in der Bastschicht unter der Rinde mit deutlich sichtbaren Verdickungen am Ende der Fraßgänge, den sogenannten Puppenwiegen, mit verpuppten Käfern.
Foto: Rainer Pöhlmann

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