Das Wandern ist der Rehe Lust

Nicht alle Rehe sind so ortstreu wie lange vermutet wurde. Die Beobachtungen des Luchs- Reh-Rothirsch Forschungsprojekts im Nationalpark Bayerischer Wald zeigen, dass es unter den Böcken und Geißen einige Weitstreckenläufer gibt.

Pressemitteilung Nr. 079/11

Datum: 11.06.2012

24 Kilometer in drei Tagen - über die Grenze von Tschechien nach Bayern, über die Hochlagen des Böhmerwaldes, durch Unterholz, am Fuße des Rachels entlang, vorbei an Bachläufen und der Trinkwassertalsperre Frauenau - was nach einer schönen Wochenendwandertour klingt, ist die Strecke, die Rehbock Jakub im Mai letzten Jahres zurücklegte. Einige der besenderten Rehe im Gebiet der Nationalparke Bayerischer Wald und Sumava sind sehr wanderfreudig. Unterschieden werden saisonal bedingte Wanderungen und die Abwanderung von Jungtieren aus einem Gebiet. Der Jährlingsbock Jakub gehörte mit seinem jungen Alter zu den Abwanderern auf der Suche nach einem freien Revier. Auch der genetische Austausch mag ein Grund für diese Wanderung sein.

„Wir haben im Laufe des Projekts seit 2005 über 170 Rehen Senderhalsbänder angelegt. Die Halsbänder liefern uns Positionsdaten, anhand derer wir die zurückgelegten Strecken der Tiere verfolgen können“, erklärt der Projektleiter Dr. Marco Heurich von der Nationalparkverwaltung. „Damit haben wir einen ganz guten Überblick, wie sich Rehe im Gebiet verhalten.“ Jakub wurde im Februar 2011 nahe der Ortschaft Srni (Rehberg) in Tschechien besendert. Er machte sich auf die Wanderschaft nach Bayern, durchquerte den Nationalpark Bayerischer Wald und ließ sich zwischen Altschönau und St. Oswald nieder. Dann fiel der Halsbandsender aus. Die Forscher verloren für viele Monate den Kontakt zu dem Rehbock, bis Horst Burghart, Mitarbeiter des Projekts, im Mai dieses Jahres zu einem frischen Luchsriss gerufen wurde. Es stellte sich heraus, dass Jakub von Luchs-Kuder Milan erbeutet wurde. Vom noch vorhandenen Halsbandsender konnten schließlich die aufschlussreichen Daten ausgelesen werden.

„Nicht nur Jakub ist ein Langstreckenläufer unter den Rehen. Es gibt ein paar Böcke und Geißen, die ihm in nichts nachstehen,“ schmunzelt Burghart. Der Bock Theo z.B. wurde im Januar diesen Jahres in der Nähe von Kirchdorf besendert. Er ist etwa drei Jahre alt. „Die Telemetriedaten haben uns gezeigt, dass Theo bereits im Spätwinter einen Versuch gemacht hat, durch den Nationalpark zu wandern. Vermutlich war der Schnee noch zu hoch. Er ist wieder umgekehrt“, berichtet Burghart. „Mittlerweile steht er im 26 Kilometer entfernten Kvilda (Außergfield) in Tschechien. Höchst wahrscheinlich wird er den Winter wieder in Bayern verbringen.“ Theo unternimmt saisonale Streifzüge: er nutzt im Sommer ein anderes Gebiet als im Winter. Doch warum legen die Rehe diese Strecken zurück? „Das kann verschiedene Ursachen haben“, meint Dr. Heurich dazu. „Im Winter wandern die Tiere in schneeärmere Gebiete, in denen sie Nahrung finden. Im Sommer geht es dann zurück in die angestammten Territorien. Diese können auch bis zu 25 Kilometer entfernt in den Hochlagen sein, in denen die Rehe weniger Nahrungskonkurrenten haben und ausreichend Futter finden.“  Aber auch Tiere, die in tieferen Lagen leben, machen sich ab und an auf Wanderschaft. Die junge Geiß Halma legte in einem Monat eine Distanz von 95 Kilometer zurück. Letztendlich kehrte sie aber wieder in die Nähe ihres Ausgangsortes zurück. „Was wir eindeutig sehen können ist, dass Rehe in unserem Untersuchungsgebiet weite Strecken zurücklegen können“, resümiert Dr. Heurich. „Sie sind wesentlich wanderlustiger als bislang angenommen.“

Rainer Pöhlmann 

Foto Rainer Simonis


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