Der Wolf braucht keine Wildnis

Umfassender Vortrag im Haus zur Wildnis über einen möglichen Rückkehrer

Pressemitteilung Nr. 043/11

Datum: 22.03.2011

Wölfe sind sehr gute Langstreckenläufer, die auf Grund ihrer Energie sparenden Gangart - sie setzen den Hinterlauf millimetergenau in den Abdruck des Vorderlaufs- pro Tag bis zu 75 Kilometer zurücklegen können.

Wölfe sind sehr gute Langstreckenläufer, die auf Grund ihrer Energie sparenden Gangart - sie setzen den Hinterlauf millimetergenau in den Abdruck des Vorderlaufs- pro Tag bis zu 75 Kilometer zurücklegen können.

Beim Thema Wolf spitzen viele die Ohren und werden neugierig. Kaum ein anderes Wildtier Europas spaltet mehr die Gemüter über alle Bevölkerungsschichten hinweg, wenn es um die Frage seiner Rückkehr und Gefährlichkeit geht. Dies gilt besonders jetzt, wo er sich in Deutschlands Osten, in der Lausitz, in fünf Rudeln etabliert hat und womöglich anschickt, zu expandieren, also neue Lebensräume zu erobern.

Markus Bathen, Mitarbeiter im Wolfsprojekt des Naturschutzbundes (NABU), beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Wölfen in der Lausitz. Mit einem umfassenden Vortrag brachte er die „Reizfigur“ Wolf  einer hochinteressierten Zuhörerschaft näher. Mit seinen aktuellen Erlebnissen und Forschungsergebnissen sprach er sein Publikum direkt an und sorgte für so manche überraschende Aussage, die den Wolf gar nicht in die Nähe einer blutrünstigen Bestie rücken.

Dabei grenzt die Einstellung zum Wolf an Paradoxie. Aus ihm hat der Mensch sein Lieblingstier, den Hund, in vielen Rassen als seinen treuen Begleiter herausgezüchtet. Er hat ihn aber auch in weiten Teilen Europas ausgerottet. Überlebt hat er nur in seinen Märchen und Mythen.

Seit geraumer Zeit ist der Wolf aber wieder Bestandteil des natürlichen Tierspektrums Deutschlands – vorerst begrenzt auf den Osten, inmitten einer von Menschen bewohnten Industrie- und Kulturlandschaft.

Für einen typischen Langstreckenläufer, der bis zu 75 Kilometer am Tag marschiert, scheint es aber nur eine Frage der Zeit, wann er auch bei uns im Bayerischen Wald wieder regelmäßig auftauchen wird. „Das liegt einfach in der Biologie des Wolfes“, sagte Markus Bathen und festigte die These anhand der Rudelzusammensetzung. Ein Rudel besteht nämlich nicht, wie häufig angenommen, aus 30 oder gar 50 Wölfen, sondern lediglich aus den zwei Elterntieren, den letztjährigen Jungen und den Welpen des laufenden Jahres. „Zusammen sind dies in der Regel 8 Tiere, die in einem Rudel leben. Spätestens mit zwei Jahren werden die Jungtiere aus dem Rudel ausgeschlossen und müssen sich einen freien Lebensraum suchen“, stellte Bathen fest. Dabei werden, wie mit Halsbandsendern ausgestattete Tiere belegen, Erkundungsreisen bis zu 1.500 Kilometer (!) unternommen.

„Damit“, so Bathen, „bleibt die Rudelgröße konstant und auch ohne lenkende menschliche Eingriffe kommt es zu keinen befürchteten überhöhten Wolfsbeständen“. Die Reviergröße eines Wolfsrudels richtet sich wie bei allen Beutegreifern ausschließlich nach dem Nahrungsangebot. Bathen belegte seine Aussage mit über 50 Jahre hinweg gesammelten Forschungsergebnissen der Wolfspopulation im Nationalpark Isle Royale, eine isolierte Insel im Oberer See in den USA. Dort herrscht ein nachhaltiges dynamisches Gleichgewicht zwischen der Anzahl von Wölfen und Beutetieren. Eine wachsende Wolfsanzahl reduziert die Beutetiere, was letztendlich den Zusammenbruch des Wolfsbestandes nach sich zieht mit den Folgen einer Zunahme der Beutetiere usw.

Auf die Lausitz übertragen, benötigt ein achtköpfiges Wolfsrudel einen Lebensraum von ca. 300 Quadratkilometern. Zum Vergleich: der Nationalpark Bayerischer Wald ist 242 Quadratkilometer groß.

Markus Bathen sprach auch weitere mögliche Gründe für die Rückkehr der Wölfe an. Unter anderem sind dies das gute Nahrungsangebot und der gesetzliche Schutz – Wölfe sind eine streng geschützte Tierart, die nicht dem Jagdgesetz unterliegt.

Überrascht wurde die Beschreibung des optimalen Lebensraum aufgenommen, die sich aus den gewonnenen Telemetriedaten der „Lausitzer Wölfe“ ergeben. Demnach nutzen sie vielfältigste Landschaftsteile von ehemaligen Truppenübungsplätzen über lichte Kiefernwälder, bis hin zu landwirtschaftlichen Nutzflächen. „Menschenleere Gegenden suchen sie nicht, das ist ein Mythos“, konstatiert Bathen und zieht als Fazit: „der Wolf braucht keine Wildnis.“

Ausführlich befasste sich Bathen auch mit dem Schutz von Weidetieren, insbesonder Schafe, die gut in das Beuteschema des Wolfes passen.

Umzäunungen bestimmter Art und zusätzliche Herdenschutzhunde halten den Wolf vor „Übergriffen“ ab. Ist es dennoch passiert und der Wolf als „Täter“ nicht auszuschließen, wird ein 100 %iger Schadenersatz geleistet.

Die Gefährlichkeit des Wolfes für den Menschen bezeichnete Bathen als äußerst minimal und belegte diese Feststellung mit gesicherten Daten aus ganz Europa über einen Zeitraum von 50 Jahren. Demnach gab es lediglich 9 Wolfsangriffe auf Menschen, denen 5 tollwütigen Tieren zuzuordnen waren und in 4 Fällen das Anfüttern der Wölfe Auslöser war.

„In der Lausitz“, so Bathen, „gab es in den 10 Jahren des Wolfsvorkommens keine einzigen Angriff, weil der Mensch vom Wolf nicht als mögliche Beute gesehen wird. Sein Nahrungsspektrum besteht zu 52 % aus Rehen, 25 % Rotwild, 17 % Wildschweine, 3,6 % Hasen, 1 % Muffelwild und 0,5 % Haustiere. Deren verbesserter Schutz ließ den Verlust an Schafen, gemessen am lokalen Gesamtbestand, von 22 % im Jahr 2003 auf nur noch 0,1 % im letzten Jahr sinken. 

Abschließend erläuterte Bathen noch die Situation: Jäger – Wolf und betonte gleich, dass Jäger nicht grundsätzlich gegen den Wolf sind. Beide haben aber das gleiche Motiv – nämlich zu jagen. Die nüchternen Zahlen belegen jedoch deutlich, dass der Wolf kein echter Konkurrent des Jägers ist. Nur 1,5 Stück Rehe pro Jahr und 100 Hektar „gönnt“ sich der Wolf. Eine Anpassung der Abschusspläne erübrigt sich, weil die Natur einen Überschuss bietet.

In der Summe resümiert Bathen: „Konflikte ja – aber alle lösbar, weil es die Normalität ist, das nichts passiert.“

Bildunterschrift:
Wölfe sind sehr gute Langstreckenläufer, die auf Grund ihrer Energie sparenden Gangart - sie setzen den Hinterlauf millimetergenau in den Abdruck des Vorderlaufs- pro Tag bis zu 75 Kilometer zurücklegen können.

Mehr Informationen zur Rückkehr von Luchs und Wolf: http://www.nabu.de/


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